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Ein historischer Schatz unter der Synagoge

von Betty Arndt & Ernst Böhme

Bei der Ausschachtung für das Fundament der Synagoge wurden die Reste eines spätmittelalterlichen Färberofens entdeckt. Diese sind unter den Glasplatten im Fußboden zu sehen. Er wurde um das Jahr 1500 n.d.Z. angelegt. Zu dieser Zeit verwenden die Färber Wasser, in das verschiedene Pflanzen und alkalische, d. h. ätzende Zusätze gegeben werden. Die so entstehende Lauge wird zum Färben auf unterschiedliche Temperaturen erhitzt: für Rot sehr heiß, für Blau nur warm. Die Hitze ist auch nötig, damit die Farben sich mit dem Stoff dauerhaft verbinden und nicht ausgewaschen werden.

Von dem Färberofen ist die Unterkonstruktion erhalten. In einer runden Fläche aus Kalksteinen ist aus Backsteinen eine Brennkammer eingerichtet. Darin befindet sich eine rechteckige Feuerstelle aus wiederverwendeten, senkrecht gestellten Dachpfannen.

Auf dem runden Ofen wird der Metallkessel mit der Färberlauge erhitzt. Mit großen Stangen rührt der Färber die Stoffe in der Lauge um. Anschließend hängt er die langen Stoffbahnen zum Trocknen auf. In Göttingen werden die Farben Rot, Blau, Grün, Braun und Schwarz verwendet. Ihre Herstellung ist unterschiedlich teuer.

Dies ist der einzige, bisher in Göttingen gefundene Färberofen. Er gilt als der älteste bekannte Färberofen in Niedersachsen.

Neue Handwerker für die Stadt – Färber und Neue Wollenweber

von Betty Arndt & Ernst Böhme

Göttingen wird um das Jahr 1150 n.d.Z. gegründet. Die Stadt erlebt wirtschaftlich und politisch einen schnellen Aufstieg. Der Grund ist die Herstellung und der Export von Leinen- und Wollstoffen. Vor allem die Göttinger Wolltuche werden in weite Teile Nordeuropas exportiert.

Die Handwerker, die die Tuche herstellen, heißen Wollenweber. Ihr hauptsächliches Wohngenbiet liegt in der Göttinger Neustadt bei der Marienkirche. Die Göttinger Tuche sind von einfacher Qualität und nicht gefärbt.

Um 1450 n.d.Z. werden in Westeuropa gefärbte Tuche besserer Qualität hergestellt. Gegen diese Konkurrenz können sich die Göttinger Wollenweber immer weniger behaupten. Die Stadt gerät wirtschaftlich in eine Krise. Als Gegenmaßnahme wirbt man Spezialisten für die neuen Tuche und Färber an. Diese Neuen Wollenweber und die Färber verhelfen Göttingen zu einem neuen Aufschwung.

Die Neuen Wollenweber und die Färber bleiben aber als zugewanderte Arbeitsemigranten noch lange fremd in der Stadt. Sie tragen dazu bei, religiöse und politische Neuerungen durchzusetzen. Der hier ausgegrabene Färberofen ist also ein Zeugnis für einen wichtigen Wendepunkt in der Göttinger Stadtgeschichte.

Ausgegrenzt, vertrieben, ermordet: Juden im spätmittelalterlichen Göttingen

von Ernst Böhme

Im Jahr 1289 n.d.Z. lässt sich erstmals ein Jude in Göttingen nieder. Das Leben der Juden in den deutschen Städten wie Göttingen ist vielfach eingeschränkt: Um in einer Stadt wohnenzu können, benötigen sie die Erlaubnis des jeweiligen Fürsten. Dafür müssen sie viel Geld bezahlen. Sie dürfen nur wenige Berufe wie Kleinhändler und Geldverleiher ausüben, die als „unehrlich“ gelten. So verhindern die christlichen Handwerker und Kaufleute, dass die Juden ihnen Konkurrenz machen.

Über die Größe der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde in Göttingen ist nichts bekannt. Es sind aber selten mehr als 30 bis 40 Personen gewesen. Sie wohnen im Bereich der Jüdenstraße und der Speckstraße. Dort befindet sich auch ihre Synagoge.

Im christlichen Neuen Testament werden die Juden für den Tod Jesu Christi am Kreuz verantwortlich gemacht. Daher gelten im Mittelalter die Juden als “Gottesmörder“ und werden immer wieder verfolgt. Während der großen Pestepidemie 1347/48 n.d.Z. werden auch die Göttinger Juden beraubt, verfolgt, aus der Stadt vertrieben und ermordet.

Zwischen 1460 n.d.Z. und 1559 n.d.Z. leben überhaupt keine Juden in Göttingen. Das ist genau die Zeit, aus der dieser Färberofen stammt.